Eine Ode an die Bibliothekarin meiner Kindheit

Eines meiner prägendsten Erlebnisse meines Lebens war der erste Besuch in einer öffentlichen Bibliothek. Im Rahmen eines Klassenausflugs in der 4. Klasse gingen wir mit unserer Klassenlehrerin zur Blücherstraße. Uns wurde das Prinzip einer öffentlichen Bücherei erklärt (Leihe auf Zeit) und der Aufbau der “Kinderabteilung” gezeigt; und ich kann mich noch genau an das überwältigende Gefühl, an diesen mahlstromartigen Zustand der Euphorie erinnern als mir klar wurde, was das bedeutet: Hier habe ich kostenlosen, unbegrenzten Zugang auf ganz ganz viel Spaß UND Hirnfutter. Außerdem fand ich die Idee sofort charmant, dass ich gar nicht all die Medien besitzen muss – es reicht vollkommen aus, sie zu “benutzen”. Und da es (als Kind) ausreicht, ein Buch einmal zu lesen, ist es absolut logisch das Buch nur zu leihen.

Rückblickend war das “mein Internet”. Es gab Romane, Sachbücher, Brettspiele, Hörgeschichten und Musikkassetten – und insbesondere letzteres hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf meinen späteren Musikgeschmack gehabt. Denn da gab es Elektronikzeug. Vom kitschigen Jean Michel Jarre, über alten Vangelis-Kram bis hin zum Hippie-luziden Tangerine Dream Potpourri; da war schon guter Stoff dabei, der meine Hörgewohnheiten und Pattern-Affinitäten herausgebildet hat. Von wirklich durchdringendem Wert war allerdings die Kraftwerk-Sammlung. Das wirkt ja bis heute intensiv nach – und nach dem Besuch eines der Düsseldorfer Konzerte poppt die Erinnerung wieder hoch: die gütige Bibliothekarin, die als Gatekeeper entscheiden konnte, ob ich auch in den Erwachsenenbereich hinein darf. Denn eigentlich durfte man erst mit 14 Jahren dort ausleihen, ich war allerdings erst 12.

Ich bezeichne sie (deren Namen mir partout nicht mir einfällt) deswegen als gütig, weil sie offensichtlich wusste, dass sie mir den Zugang zum nächsten Level einfach geben musste – ich war ja auch eine zeitlang von täglich bis mehrere Male pro Woche zugegen. Sie konnte wohl ganz gut einschätzen, dass ich reif und wissbegierig genug war.

Jetzt war es aber nicht so, dass ich sofort einfach innerhalb der adulten Infolandschaft rumlaufen durfte. Es begann zunächst damit, dass ich mir die verschiedenen Abteilungen anschauen durfte. Nach einer Zeit der “Bewährung” durfte ich dann aus der Erwachsenensammlung der Musik auswählen. Das Ausleihen von Büchern unterlag noch einer gewissen Zensur – wobei ich das auch nicht als solche empfand. Sie hatte mir erklärt, dass es Bücher gibt, die ich erst später lesen darf. Ich habe das akzeptiert, da ich auch nicht auf die Idee kam Joyce Ulysses oder das Lexikon des Sex auszuleihen (gleichwohl habe ich NATÜRLICH in letzterem heimlich geblättert ;-)).

Daher mit ca. 30 Jahren Verspätung nachträglich:

Verehrte Bibliothekarin, Danke für das seinerzeit entgegengebrachte Vertrauen! Sie haben mir ein Universum erschlossen und in mir die Freude am Erkunden, Lernen und Denken beschleunigt!

 

 

Spiegel Online mich mal am Allerwertesten

Urgs. Da schreibt der Spiegel über Trends. Klar, dass dabei nur Käse herauskommen kann – bis auf ein Satz.

Huch, hat der ‘Redakteur Müller’ doch noch ‘Eingebung’ gehabt?

Der eigentliche Adressat ist jedoch der technosoziale Fortschritt, viel unerbittlicher und umwälzender als hundert Googles.

Quelle: http://m.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/a-875246.html

Tja. Der pöööse Fortschritt. Und bloss nicht ins Thema einsteigen – frei nach Thomas Mann: Hass ist eine gute Brille.

Statt am eigentlichen Kontext dran zu bleiben: Angst essen Seele auf. Spieglein, Spieglein mit dem Rücken zur Wand, wer ist der Gefälligste im ganzen Land?

Huch – habe erst heute realisiert, dass der Redakteur Müller der Herr Lobo ist. Kann ja mal passieren.